Kind & Hund

Kind & Hund – Warum für uns in der Regel keine Direktvermittlungen aus dem Ausland an Familien mit Kindern unter 7 Jahren in Frage kommen.

Sein eigenes Kind mit Tieren aufwachsen zu sehen ist für die meisten (tierlieben) Eltern ein Traum. Kinder lernen auch viel vom gemeinsamen Zusammenleben und entwickeln laut Studien ein besseres Verständnis für die Gefühle und Bedürfnisse anderer Lebewesen und Menschen. In der Tat erfordert der Beziehungsaufbau zu einem Tier die Fähigkeit, sich in seine Absichten, Bedürfnisse und Gefühle hineinzuversetzen, sensibel für ein anderes Lebewesen zu werden und mit diesem mitempfinden zu können, es einfühlsam und bewertungsfrei anzunehmen. Auch gesundheitliche Vorteile bietet das Zusammenleben von Kindern und Tieren, denn auch hier beweisen Studien, dass eben diese Kinder ein stärkeres Immunsystem zu haben scheinen und seltener krank werden. Wenn jetzt so viel für ein gemeinsames Aufwachsen von z.B. Hund und Kind spricht, warum kommt für uns als Verein eine Direktvermittlung aus dem Ausland an Familien mit Kindern unter 7 Jahren nicht in Frage?

 

Oft ist kein Verträglichkeitstest vor Ort möglich.

In unseren Stationen in Ungarn & Rumänien gibt es keine Kinder oder Jugendlichen. Vor Ort arbeiten lediglich Erwachsene, die natürlich nur bedingt einschätzen können, wie sich die Hunde im Zusammenleben mit Kindern verhalten werden. Auch unsere deutschen Mädels versuchen bei ihren Besuchen vor Ort so gut es geht durch verschiedene Tests, wie z.B. kurzzeitiges hohes Kreischen, mal am Fell zupfen oder etwas groberen Streicheleinheiten, zu schauen, wie die Hunde reagieren würden. Trotzdem ist das natürlich keine 100%ige Repräsentation für das permanente Zusammenleben mit kleinen Kindern, sondern eben nur Momentaufnahmen mit Erwachsenen. Wir können für unseren Teil nur etwas zu grundlegenden Eigenschaften, Größe, Alter & Bedürfnissen des Hundes sagen. Nicht selten haben unsere Hunde auch nicht die besten Erfahrungen mit Menschen gesammelt und sind ihnen gegenüber erstmal unsicher. Typische kleinkindliche Verhaltensweisen, wie schreien oder rumrennen, könnten diese anfängliche Unsicherheit erstmal verstärken und zu defensiven Verhaltensweisen (knurren, abschnappen) vom Hund führen. Und sind wir mal ganz ehrlich: welche verantwortungsvolle Mutter oder Vater würde das Wohlbefinden ihrer Kinder so riskieren? Wenn wir es nicht testen können, sind wir nicht gewillt die Gefährdung von Kindern und Hunden, sowie deren Überforderung miteinander, in Kauf zu nehmen.

 

Die Adoption eines Hundes ist eine große Verantwortung, die nicht selten unterschätzt wird.

Allgemein gesprochen ist die Adoption eines Tieres natürlich immer eine riesige Verantwortung. Aber besonders, wenn kleine Kinder im Spiel sind, gibt es noch ein paar mehr Dinge zu beachten.

Ist genug Zeit für alle Familienmitglieder inkl. neuem Hund vorhanden? Am Anfang, wenn die Hunde nicht stubenrein sind & auch noch keinen Alltagsrhythmus haben, müssen sie alle paar Stunden raus. Ins Training und die Erziehung muss viel Zeit investiert werden. Auch die Sozialisierung steht noch aus. Dadurch müssen alle anderen Familienmitglieder zurückstecken. Ein Hund „läuft nicht eben mal so mit“, sondern braucht auch im Alltag viel Aufmerksamkeit. Ist neben allen Familienverpflichtungen (Schule, Hobbies, Arbeit, Interessen, usw.) genug Zeit für das Training, Erziehung und Sozialisierung vorhanden? Eventuell ist der Zeitpunkt einfach nicht der richtige. Wenn Kinder älter und damit oft selbstständiger werden, bleibt im Alltag wieder mehr Zeit für z.B. ein weiteres Lebewesen.

Gibt es genügend finanzielle Rücklagen, um allen Familienmitgliedern inkl. neuem Hund gerecht zu werden? Haustiere sind gerade heutzutage unfassbar teuer. Tierarzt, Versicherungen, gutes Futter, Training, Steuern usw. kosten Besitzer mitunter mehrere hundert Euro im Monat. Und ganz wichtig: es sollte dann nicht am Haustier gespart werden!

-Hund und Kind haben mitunter unterschiedliche Interessen & Bedürfnisse. Wo bleibt der Hund, wenn es in den Freizeitpark/Schwimmbad/… geht & Hunde nicht erlaubt sind?

-Gerade junge Hunde verursachen viel Dreck im Haus (Pipipfützen, machen Kinderspielzeug kaputt, …). Erträgt man das & ist man in der Lage dies zusätzlich zum kompletten Haushalt im Alltag zu erledigen?

-Gerade in der Anfangszeit muss man sehr genau auf viele Dinge achten, z.B. geöffnete Türen, durch die der Hund entwischen kann. Haben die Kinder die nötige Reife und das mentale Verständnis Regeln zu befolgen? Für uns steht fest, dass wir dies Kindern erst ab einem Alter zumuten können, wo sie kognitiv in der Lage sind, komplexere Zusammenhänge zu verstehen. Natürlich sind nicht alle Kinder gleich, aber um ausreichend beurteilen zu können, ob z.B. genau dieses eine 4-jährige Kind reif genug ist für den ausgesuchten, sich noch im Ausland befindlichen Hund, reichen unsere zeitlichen und personellen Kapazitäten einfach nicht aus. Wir wollen hier defintiv auf Nummer sicher gehen und niemanden gefährden oder überfordern.

-Motivation der Anschaffung: Sind wirklich alle in der Familie mit dem Hund einverstanden? Warum genau soll der Hund angeschafft werden? Ein Lebewesen ist kein Zeitvertreib. Gerade Hunde sind sehr abhängig von ihren Menschen. Egal, ob man selbst oder die Kinder krank sind: der Hund muss raus. Egal, ob das Kind vielleicht Fußballtraining hat: wenn es dem Hund schlecht geht, muss man für ihn da sein & seine Interessen mal hinten anstellen.

Trägt nur eine Person alleine die Verantwortung? Wichtig ist auch, dass Kindern nicht die gesamte Verantwortung für einen Hund zugetragen wird. Immerhin schließen ja auch die Erwachsenen den Vertrag ab. Auch das Thema spazieren gehen wird immer wieder heiß diskutiert. Kinder müssen körperlich und geistig dazu in der Lage sein, einen Hund sicher führen zu können.

Kann es durch eine gezwungene Überzeugung oder gar Überraschung zu Auseinandersetzungen im Alltag kommen (z.B. „Du wolltest ja den Hund!“)? Ein Tier sollte niemals ein Geschenk oder Überraschung sein. Bei der Anschaffung eines Hundes sprechen wir im besten Fall über ein Lebewesen, was euch die nächsten 10+ Jahre begleiten wird. Diese Entscheidung sollte wohlüberlegt getroffen werden. Zu viele „Weihnachtsgeschenke“ sitzen mittlerweile in unseren Tierheimen, weil sie plötzlich nicht mehr interessant waren oder zu viel Arbeit gemacht haben.

Kann der Hund mit in den Urlaub oder wo wird er alternativ untergebracht? Beides ist oft mit hohen Mehrkosten verbunden, die eine Familie schnell stark belasten können; & da haben wir noch nicht mal von der Planung eines Urlaubs mit Hund gesprochen (Unterkunft finden, Aktivitäten mit Hund planen die allen Spaß machen, ggf. monatelange Vorplanung für eine Hundepension oder Betreuung).

Haben die Eltern noch genug Kapazitäten, um Kind und Hund besonders am Anfang immer im Auge zu behalten, wenn beide in einem Raum sind? Ein einfaches Beispiel: Schokolade und viele andere Dinge (Xylit!) sind Gift für Hunde: es muss immer darauf geachtet werden, dass der Hund dem Kind kein Essen klauen kann oder von ihm gefüttert wird. Ebenso kann man von kleinen Kindern (jünger als Grundschulalter) nicht erwarten, dass sie die Körpersprache der Hunde immerzu lesen und dementsprechend ihr Verhalten anpassen können.

Abwehrverhalten: Auch Hunde dürfen sich natürlich äußern und wehren, wenn ihnen etwas widerfährt, was ihnen nicht gefällt. Eventuell haben die Hunde in ihrem bisherigen Leben aufgrund ihrer Erfahrungen auch eine Ressourcenproblematik entwickelt. Viele Verhaltensweisen zeigen sich erst bei der häuslichen Betreuung in Deutschland. In der Hundesprache gibt es verschiedene Eskalationsstufen: vom einfachen Abwenden über deutliches Drohen bis hin zum Angriff. Werden die niedrigeren Stufen ignoriert oder nicht erkannt, kann ein Hund auch abschnappen. Nicht selten liest man dann „Das kam ohne Vorwarnung!“, wenn ein Kind dann gebissen wird. Leider sind vor allem kleine Kinder auch oft mit dem Kopf des Hundes auf Augenhöhe, was natürlich umso gefährlicher sein kann.

Kinder müssen Kinder sein dürfen – genauso müssen eben auch die Bedürfnisse der Hunde respektiert werden.

„Dein Kind sei so frei es immer kann. Lass es gehen und hören, finden und fallen, aufstehen und irren.“ Johann Heinrich Pestalozzi

Kinder müssen Kinder sein dürfen. Das bedeutet, sie sollen schreien, rennen, weinen, toben, laut lachen, Dinge ausprobieren und wild sein, um sich voll zu entwickeln. Leider geht das nicht unbedingt einher mit der Aufnahme eines Hundes. Besonders, wenn es sich um einen Hund mit einer (ungewissen) Vergangenheit handelt. Nicht jeder Hund ist für einen turbulenten Haushalt mit kleinen Kindern gemacht. Das limitieren wir auch nicht nur auf Tierschutzhunde! Auch Hunde aus einer seriösen Zucht müssen nicht jeden Stress standhalten können. Es sind ganz eigene Individuen mit ihren Bedüfnissen, die respektiert werden müssen! Allgemein muss es z.B. dem Hund möglich sein, täglich ca. 18 (Erwachsen) bis 20 Stunden (Junghund) schlafen und ruhen zu können. In einem Haushalt mit kleinen Kindern ist selten so viel Ruhe, dass ein Hund im Alltag gut & ausreichend entspannen kann. Ebenso gibt es auch ein paar andere Fakten in Bezug auf Bedürfnisse zu beachten:

-Wenn der Hund schläft oder frisst, dann muss das Kind ihn in Ruhe lassen. Knurren ist eine Warnung und sollte ernst genommen, aber nicht bestraft werden. Sonst gewöhnt man dem Hund am Ende das Knurren ab und er geht ohne Vorwarnung zum Biss über. Allgemein sollte es für den Hund im Zuhause mind. einen sicheren Rückzugsort geben.

Feste Umarmungen mögen die wenigsten Hunde, daher sollten Erwachsene dem Kind zeigen, wie es den Hund vorsichtig streicheln kann. Die Körpersprache von Hund und Mensch ist oft anders, was für Kinder nicht immer gleich greifbar ist. Generell ist wichtig, dass Erwachsene deshalb jederzeit als Vorbilder für Kinder fungieren! Dies setzt natürlich voraus, dass sich die Erwachsenen ausreichend mit der Thematik Körpersprache auseinandergesetzt haben.

-Gerade kleine Kinder sind ungewollt grobmotorisch, davor sollte der Hund so gut wie möglich geschützt werden. Hunde sind immerhin kein Spielzeug. Und hingegen der Meinung mancher Menschen „Das muss der Hund dann halt mal aushalten!“, sagen wir, dass der Hund einen dauerhaft grobmotorischen & lauten Umgang nicht dulden muss.

-Wilde Spiele (rennen, zergeln) sollten nur unter Aufsicht und nur bei einem wirklich vorsichtigen, reizunempfindlichen Hund stattfinden. Bei bestimmten Rassen können diese „Spiele“ auch schnell schief gehen (z.B. fehlgeleitetes Beutefangverhalten).

-Wie ist es bei dem Besuch von fremden Kindern? Kann der Hund separiert werden, sodass weder er noch die Kinder gestört werden?

Gerade kleine Hunde werden nicht selten in ihren Bedürfnissen nicht ernst genommen. Sie werden gerne mal bedrängt und körpersprachliche Signale, wie Beschwichtigungssignale, werden ignoriert. Dadurch entwickeln viele von ihnen eben Strategien, wie verbellen oder direktes Abschnappen „ohne Vorwarnung“, um sich vor diesen Grenzüberschreitungen zu schützen. So hält sich das Clichée: kleine Hunde sind Kläffer und Wadenbeißer.

 

Wie ihr seht, haben wir nicht „einfach so“ beschlossen, dass wir keine Direktvermittlungen aus dem Ausland an Familien mit kleinen Kindern machen werden. In der Vergangenheit haben wir natürlich auch viele Erfahrungen sammeln können und auch einige unserer Teammitglieder und Pflegestellen sind Eltern. Nüchtern betrachtet berichten alle, dass das Zusammenleben von Kind und Hund ebenso schön, wie auch eine Herausforderung darstellt. Wir wissen, dass es Ausnahmen von der Regel gibt. Generell trifft diese Regel auch erstmal hauptsächlich auf unsere Hunde zu, die sich noch im Ausland befinden. Hunde, die auf deutschen Pflegestellen sind, können oftmals im Umgang mit Kindern beobachtet & getestet werden. Dann treffen wir da gezielt eine Aussage im neuen Vermittlungstext. Wir sehen aber eine Vermittlung an Familien mit sehr kleinen Kindern (unter 3 Jahren) als fast schon ausgeschlossen an, weil wir Verhaltensweisen unserer Hunde nicht garantieren können & die Hunde oft noch nicht lang in Deutschland sind, sodass ihr Charakter und ihre Sozialisierung noch nicht gefestigt genug sind, um solchen Stress mitunter dauerhaft aushalten zu können. Ausnahmen im Ausland sind mitunter Hunde, welche unsere Tierschützer aufnehmen, die bereits in Familien mit Kindern harmonisch gelebt haben. Hier liegt die Betonung auf harmonisch – einige unserer Schützlinge haben eben auch schlechte Erfahrungen mit Kindern gemacht; wurden gejagt, geschlagen, als Spielzeug angeschafft & auch so behandelt. Diese Hunde werden wir nicht in Familien mit kleinen Kindern vermitteln, weil wir diesen Hunden damit keinen Gefallen tun – egal, wie sehr manche Menschen diese Aussage nicht verstehen möchten.

Für uns als Verein steht das Tierwohl und damit einhergehend die Sicherheit der Kinder immer an allererster Stelle! Wir hoffen, dass wir mit diesem Beitrag mehr Klarheit über unsere Entscheidung schaffen konnten. Mit diesem Text wollen wir erreichen, dass vor allem Eltern mit jungen Kindern unter 3 Jahren die Anschaffung von Tieren ggf. noch einmal überdenken und über eine Adoption eines Tieres zu einem späteren Zeitpunkt nachdenken.